Verlässlich, produktiv, loyal – und angepasst. So sollen ideale Mitarbeitende für viele Unternehmen sein. Unkonventionelle Ideen oder ein eigener Kopf scheinen dagegen weniger gefragt. Das zeigt die Studie einer deutschen Forscherin. Demnach wählen vor allem Großkonzerne im Zweifelsfall eher fleißige Arbeitsbienchen als innovative Köpfe – auch wenn sich viele Firmen gerne nach außen so darstellen.
Bevor man zu einem Bewerbungsgespräch geht, überlegt man sich, wie man sich am besten darstellen möchte. Selbstbewusst möchte man sein, mit festem Händedruck. Und man möchte zeigen, dass man die Firma nach vorne bringen kann und man einen ganzen Ideenkatalog für eine innovative Zukunft dabei hat. Schließlich suchen die Firmen nach innovativen Köpfen – so scheint es jedenfalls, wenn man Jobanzeigen oder die Eigenwerbung der Unternehmen liest. Aber stimmt das auch?
Wie sieht der ideale Mitarbeiter aus?
„Über persönliche und fachliche Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden haben Führungskräfte implizite Idealvorstellungen. Zum Beispiel bei der Personalauswahl“, erklärt Andrea Derler der Fernuniversität Hagen zum aktuellen Forschungsstand. Offen dabei ist allerdings, welche Idealvorstellungen das genau sind. Derler hat sich mit genau dieser Frage in ihrer Doktorarbeit beschäftigt. Für ihre Studie wertete sie 138 Online-Fragebögen von verschiedenen deutschen und österreichischen Firmen in der Dienstleistungs-, Automobil- und IT-Branche sowie im Ingenieur-Bereich aus. Die Teilnehmenden waren Führungsverantwortliche aus verschiedenen Stufen des Managements.
Die Rolle der Unternehmenskultur
Derler interessierte in ihrer Befragung, welche Eigenschaften Führungskräfte bei ihren Mitarbeitern besonders schätzen – und welche Unterschiede es darin in verschiedenen Typen von Unternehmensstrukturen gibt. Denn wie sie erklärt, sind die Unternehmen in den westlichen Industrieländern durch verschiedenen Kulturen geprägt: Sehr viele haben eine typische Konzernkultur – sie sind marktorientiert, Kunden und der Verkauf oder die Produktion stehen im Mittelpunkt. Typisch für solche Firmen sind viele Großkonzerne.
Die zweithäufigste Variante sind Firmen mit sogenannter " flexibler Organisation" – hier sind die Hierarchien eher flach, der Umgang der Mitarbeiter informeller - das "Wir" und die Idee der Firmenfamilie steht im Vordergrund. Den Mitarbeitern wird in diesen Unternehmen meist mehr Raum für eigene Entfaltung und Ideen gelassen. Typisches Beispiel wären Firmen aus dem Medien- oder IT-Bereich.
Arbeitsbienchen bevorzugt
Wie sich zeigte, werden in vielen Konzernen offenbar vor allem fleißige Arbeitsbienchen gesucht: „Die Top drei Angaben sind hier Verlässlichkeit, Produktivität und Loyalität“, resümiert Derler. Gerade Führungskräfte in Großunternehmen fordern von ihren Beschäftigten eher hohe Leistungen und schnelle Resultate. „Konzern-Managerinnen und -Manager hatten in den Befragungen auch die umfassendsten Vorstellungen von ihrem idealen Mitarbeitenden.“
Innovativ herausstechen ist dagegen zumindest in den Unternehmen mit klassischer Konzernkultur weniger gefragt: „Die meisten der untersuchten Unternehmen bevorzugen angepasste Beschäftigte“, so Derler. „Es ist ein Widerspruch zwischen Außendarstellung und gelebter Praxis. Denn die meisten der befragten Unternehmen sehen sich als innovativ und offen für Neues.“
Unter den zehn besonders erwünschten Eigenschaften finden sich bei diesen noch Fleiß, Höflichkeit und Teamfähigkeit. Unterwünschte Eigenschaften sind dagegen: Selbstbewusstsein, Unbelehrbarkeit und Abweichung von Firmentrends. Fröhlich sollte man laut der Ergebnisse übrigens absolut nicht sein. Für Bewerber bedeutet dies: Streichen Sie eher ihre Motivation und Leistungsfähigkeit heraus und versuchen Sie nicht auf Biegen und Brechen originell oder innovativ zu wirken.
Etwas anders ist das bei den Unternehmen mit der flexiblen Organisation. Im Gegensatz zu den Firmenchefs der Großkonzerne gab es hier oft kein konkretes Ideal-Profil. Der Grund: „Sie sind innovationsorientiert und bieten Mitarbeitenden mehr Raum, das eigene Potential zu entfalten. Diese Unternehmen passen sich nicht einfach nur dem Markt an, sie gestalten ihn auch aktiv“, erklärt Andrea Derler. Wer sich in einem solchen Unternehmen bewirbt, der kann mit Hinweise auf Kreativität und innovatives Denken daher durchaus punkten.